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Placebo-Medikamente

Als Placebos werden Scheinmedikamente bezeichnet, die als Arzneimittel verabreicht werden, aber keinen Wirkstoff enthalten und dadurch auch keine pharmakologische Wirkung haben können. Sie enthalten normalerweise Zucker oder Stärke und gegebenenfalls auch Farbstoffe. Placebos werden seit den 1970er Jahren standardmäßig eingesetzt, um in kontrollierten klinischen Studien die Wirksamkeit von Medikamenten gegenüber der Gabe von Placebos festzustellen. Dabei sehen die Placebo-Medikamente aus wie die echten Medikamente und werden auch wie das eigentliche Medikament verabreicht. Die Versuchspersonen wissen normalerweise nicht, ob sie das echte Medikament oder ein Placebo erhalten.

Interessant ist dabei das Auftreten des sogenannten Placebo-Effekts, das sind die positiven gesundheitlichen Reaktionen der PatientInnen auf die Einnahme von Placebo-Medikamenten. Die Wirksamkeit von Placebos ist erstaunlich hoch, sie kann bei über einem Drittel im Vergleich zu einem echten Medikament liegen, verursacht aber keinerlei Nebenwirkungen, weil kein Wirkstoff darin enthalten ist. Vermutlich können zwischen 20 und 80 % der Wirkung von Medikamenten ebenfalls auf den Placebo-Effekt zurückgeführt werden.

Die Wirkung der Placebos wird mit psychosozialen Mechanismen erklärt, die auch für die Wirkung vieler alternativmedizinischer Behandlungsformen verantwortlich gemacht werden. Eine positive Darstellung der Wirkung eines Medikaments beeinflusst die Erwartungshaltung ebenso wie Preis (teuer = gut) und Aussehen und kann dadurch dessen Wirkung beeinflussen. Suggestion und Einbildungskraft werden seit der Antike als grundlegende Faktoren für die Heilung beschrieben, eine positive Erwartungshaltung stärkt die Selbstheilungskräfte und führt so möglicherweise zu einer natürlichen Heilung. Die positiven Veränderungen des Gesundheitszustandes durch die Einnahme nachweislich wirkungsloser Medikamente kann daher gezielt dafür eingesetzt werden, Beschwerden nebenwirkungsfrei zu bessern oder dem Willen des Kranken nach Arznei zu entsprechen, ohne ihm zu schaden. Allerdings ist nicht vorhersehbar, ob und wie ein Patient auf diese Scheinmedikamente reagiert.

Vor allem im Bereich der Schmerztherapie sind Placebos hilfreich. Die Erwartung einer Wirkung kann Stress und negative Emotionen reduzieren, Schmerzen lindern und die Wirkung eines Medikaments bedeutend unterstützen. Placebos aktivieren im Gehirn dieselben Botenstoffe, die auch durch echte Schmerzmedikamente ausgeschüttet werden, vor allem Endorfine. Diese können dann Schmerzrezeptoren ausschalten und die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren. Im Extremfall reicht bereits der Anblick der gewohnten Schmerztablette, damit die Schmerzen nachlassen.

Placeboeffekte können nicht nur durch das Hervorrufen von Erwartungshaltungen ausgelöst werden, sondern auch durch einen konditionierten Reiz. Die klassische Konditionierung ist eine erlernte Reaktion auf einen Reiz, das bedeutet, dass eine positive Reaktion auf das Medikament sozusagen erlernt wird. Die nach vorherigen positiven Erfahrungen erwarteten und durch den Reiz hervorgerufenen neuronalen Aktivierungen im Gehirn können den Stoffwechsel beeinflussen und dadurch körperliche Reaktionen bewirken. Diese Konditionierung läßt mit der Zeit nach, kann aber jederzeit neu trainiert werden und funktioniert auch bei Tieren.

Sogar die Wirkung von immunsuppressiven Medikamenten kann nach entsprechender Konditionierung durch Placebos hervorgerufen werden. In Studien wurde nach entsprechender Konditionierung die Synthese von Zytokinen, Interleukin und Interferon durch die Gabe von Placebos erfolgreich unterdrückt. Die Einnahme von sehr niedrig dosierten Immunsuppresiva verlängert den positiven Effekt deutlich und verringert gleichzeitig die unerwünschten Nebenwirkungen. Dies ist vor allem für PatientInnen mit einem Spenderorgan oder entzündlichen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose interessant, denn bei diesen muss das körpereigene Immunsystem mit sogenannten Immunsuppressiva unterdrückt werden.

Aus rechtlichen und ethischen Gründen dürfen Placebos nur mit bewusstem Einverständnis der PatientInnen eingesetzt werden. Während einer sogenannten offenen Placebobehandlung wissen die PatientInnen, dass sie niedrig dosierte oder Scheinmedikamente erhalten. Trotzdem können diese ihre positive Wirkung entfalten, wenn es den Behandlern gelingt, eine positive Erwartungshaltung zu wecken. Besonders deutlich wird der Placebo-Effekt, wenn Placebo-Medikamente nicht eingenommen, sondern injiziert werden.

Gesundheitliche Hinweise

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